
Wenn an diesem Samstag die Allianz Arena ihre Tore öffnet, wenn sich mehr als 50.000 Menschen in Bewegung setzen, um dem Spiel der FC Bayern Frauen gegen Bayer 04 Leverkusen beizuwohnen (Tickets), dann ist das nicht nur ein sportliches Großereignis. Es ist ein Zeichen. Eine Wegmarke. Eine Art stiller Triumph. Und mitten in diesem Moment steht eine, die ihn vorbereitet hat, lange bevor es dafür Scheinwerfer, Bühnen oder Beifall gab: Sarah Zadrazil. Bei allen der bisherigen vier Partien der amtierenden Doublesiegerinnen in der Arena stand sie stets in der Startelf. Eine Spielerin, die konstant und verlässlich diesen besonderen Moment mitgestaltet hat.
Seit fünf Jahren trägt die Österreicherin das Trikot des FC Bayern. Doch ihre Geschichte reicht weiter zur ück. Zu den Plätzen ihrer Kindheit in Bad Ischl, zu den ersten Pässen in Jungsmannschaften, zu den Tagen, als der Traum vom Profifußball noch nicht in Stadien mit Leuchtreklame spielte. „Ich habe als Kind bei einem Dorfverein mit Jungs angefangen“, sagt sie heute. „Und jetzt darf ich zum fünften Mal in der Allianz Arena vor über 50.000 spielen. Das hätte ich mir damals nicht mal erträumt.“
Dass aus diesem Traum ein Fundament wurde, ist kein Zufall. Es ist das Ergebnis von Beharrlichkeit, von Prinzipientreue, von einer unnachgiebigen Liebe zu einem Spiel, das sich zwar verändert hat – Zadrazil selbst aber nie. 2020 kam die Österreicherin nach München. Turbine Potsdam hatte sie da längst zur Kapitänin gemacht, sie hätte bleiben können, auf festem Posten. Doch sie entschied sich für das Risiko, gegen die Komfortzone, für den Konkurrenzkampf. „Mir war bewusst, wie stark der Kader in München ist. Aber ich wollte es versuchen. Raus aus dem Gewohnten. Und ich bin heute unendlich froh, dass ich diesen Schritt gegangen bin.“
Es war kein Wechsel in ein fertiges System. Es war ein Wechsel in eine Zeit des Wandels. In einen Club, der sich für den Frauenfußball mehr vornahm als nur gute Ergebnisse. Und sie war eine, die diesen Wandel nicht nur annahm, sondern prägte. Nicht als Lautsprecherin. Sondern als Taktgeberin. Im Zentrum des Spiels, dort, wo Bälle gewonnen und Spiele geordnet werden. Zadrazil etablierte sich leise, aber unumstößlich. Sie wurde nicht zur Regisseurin, sondern zur Dirigentin. Nicht zur Solistin, sondern zur Statikerin eines Ensembles.
Ein Stadion und sein stiller Puls

Viermal haben die FC Bayern Frauen bisher in Münchens Fußballkathedrale gespielt - und viermal stand sie fest verankert auf dem Platz. Sie war präsent, als alles begann: beim ersten Spiel gegen PSG, als die Euphorie die Arena erfüllte. Sie war es, als Barcelona kam und bezwungen wurde, das bislang wohl größte Spiel der FCB-Frauen vor großer Kulisse. Sie stand auf dem Feld gegen Arsenal, als man einen umkämpften 1:0-Erfolg einfuhr. Und sie war dabei, als zum ersten Mal ein Ligaspiel der Frauen im Münchner Norden ausgetragen wurde. Ruhig, fokussiert, unaufgeregt.
„Wir als Mannschaft genießen jede Partie in der Allianz Arena“, sagt sie mit einem warmen Lächeln. „Früher war ich nur Zuschauerin. Und plötzlich standen wir 2022 erstmals selbst auf dem Platz. Gegen Gegnerinnen wie Barcelona zu spielen - das sind Momente, die sich tief ins Herz einprägen.“ Für Sarah Zadrazil ist die Allianz Arena weit mehr als nur ein Stadion. Sie ist ein Symbol, ein Wahrzeichen, eine tägliche Motivation für das, was möglich ist. „Ich fahre jeden Tag an ihr vorbei, wenn ich zum Campus unterwegs bin. Und jedes Mal denke ich: Wahnsinn, dass wir hier spielen dürfen.“
„Ich fahre jeden Tag an ihr vorbei, wenn ich zum Campus unterwegs bin. Und jedes Mal denke ich: Wahnsinn, dass wir hier spielen dürfen.”
Sarah Zadrazil über die Spiele der FC Bayern Frauen in der Allianz Arena
158 Pflichtspiele hat die Österreicherin bislang für Bayern bestritten. 123 davon gewonnen. Sechs Tore, dreizehn Vorlagen. Vier Meistertitel, ein Pokalsieg, zwei Supercups. Aber keine dieser Zahlen erklärt, warum ihre Mitspielerinnen sie vermissen, wenn sie fehlt. Keine dieser Zahlen spiegelt, was passiert, wenn sie Struktur gibt, wenn sie ordnet, wenn sie 90 Minuten lang das Spiel in seiner Balance hält. „Ich bin keine, die durch Dribblings auffällt oder durch spektakuläre Tore. Aber ich glaube, ich gebe dem Spiel Ordnung“, sagt Zadrazil. „Ich coache, ich rede viel, ich versuche Mentalität auf den Platz zu bringen. Mir wird oft gesagt, dass ich die Spielerinnen um mich herum besser mache.“ Und wenn das jemand anderes über sie sagt, würde es man wohl einen Ritterschlag nennen.
Was bleibt, wenn das Flutlicht ausgeht
Was sie besonders macht, ist nicht nur, wie sie spielt. Sondern, wie sie es lebt. Sie ist die, die zuhört. Die, die am Rande eines Trainings merkt, wenn jemand nicht gut drauf ist. Die, die mit offenen Augen durchs Innenleben eines Teams geht. Und diese Eigenschaft hat im modernen Fußball einen Wert, den kein Scoutingbericht erfassen kann. Sie selbst beschreibt sich nicht als Symbolfigur. Vielleicht gerade deshalb ist sie längst zu einer geworden.

Und nun also das fünfte Spiel in der Arena. Das Größte. Ein Bundesliga-Auftakt vor mehr als 50.000 Zuschauern. Was einst unvorstellbar war, wird am Samstagabend Realität. „Die Vorfreude ist riesig“, sagt Zadrazil. „Wir haben das im Team auch oft thematisiert. Jeder will dabei sein. Aber gleichzeitig gehen wir fokussiert rein. Wie in jedes andere Spiel auch.“
Leverkusen ist ein ernstzunehmender Gegner, daran lässt sie keinen Zweifel. Man erinnert sich an das schwere Gastspiel der Vorsaison. Und doch geht es an diesem Abend nicht nur um drei Punkte. Es geht um ein Gefühl. Eine Bestätigung für all jene, die diesen Weg seit Jahren mitgehen. Für Zadrazil ist es eine Art Spiegelung ihres eigenen Werdegangs. „Der Frauenfußball wächst extrem. Von Jahr zu Jahr. Auch damals, als ich nach München gekommen bin. Das ist jetzt fünf Jahre her. Es war unvorstellbar, dass wir so viele Zuschauer zu einem Spiel von uns bewegen können. Und von daher ist es schon irgendwie eine ständige Reise nach oben, an der ich Teil haben darf. Für mich ist es besonders schön, dass ich diese Entwicklung von Anfang an miterleben durfte. Als der Frauenfußball noch sehr klein war.“
Ein Partie also, die für mehr steht. Für eine Entwicklung, die still begann und immer lauter wird. Für eine Karriere, die sich nie in den Vordergrund drängte. Und plötzlich mitten im Scheinwerferlicht steht.
Das Geräusch eines Rituals

Und wenn der Moment kommt, wenn die Mannschaften einlaufen, wenn die Spannung vibriert und das Publikum einatmet, dann wird sie wie immer zwei kleine Sprünge machen. Zweimal mit dem linken Fuß auf den Rasen. Eine Geste, die fast niemand bemerkt, und doch alles sagt. „Seit Ewigkeiten habe ich dieses Ritual. Bereits seit meiner Collegezeit in den USA.“ Ein stiller Startknopf. Und dann wird sie verschwinden. Im Spiel, im Kollektiv, in der Bewegung des Ganzen. Nicht, weil sie sich versteckt. Sondern weil sie dort wirkt, wo andere oft gar nicht hinschauen.

Wenn der Abend dann verklungen ist, die Zuschauer gegangen sind und der Rasen sich leert, wird ein weiteres Stück Geschichte geschrieben sein. Sarah Zadrazil hat diese nicht nur erlebt, sie hat sie mitgetragen. Die 32-Jährige hat sich nie in den Vordergrund gestellt – und steht heute trotzdem sinnbildlich für all das, was der Frauenfußball ist: geerdet, kraftvoll, ambitioniert. Bereit für noch Größeres. Vielleicht ist sie deshalb nicht nur eine Spielerin in diesem Rekordspiel. Vielleicht ist sie der leise Beweis dafür, dass Größe nicht immer laut beginnt. Sondern tief. Und tragend.
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