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Vom Paukerschreck zum Präsidenten

Nur ein Jahrzehnt vor seiner ersten Amtszeit an der Spitze des FC Bayern drückte Kurt Landauer noch die Schulbank – nicht immer pflichtbewusst, aber schon damals mit einem eigenen Kopf. Forschungen im Rahmen des 125-jährigen Clubjubiläums förderten seine alten Zeugnisse zutage. Sie zeichnen ein lebendiges Bild des jungen Landauer und zeigen: Auch wer in jungen Jahren aneckt, kann später Großes bewegen.

Wer heute durch Schwabing spaziert, wird nicht vermuten, dass hier früher der Stadtrand Münchens verlief. In der Siegfriedstraße 22, unweit der Münchner Freiheit, heute also in bester Lage, wurde 1912 tatsächlich ein Lehrgebäude für 650 Schüler errichtet, weil man der Enge der Stadt entfliehen wollte. Der Jugendstilbau, gelbe Fassade, rotes Dach, ist längst denkmalgeschützt – in der Landeshauptstadt ist das Oskar-von-Miller-Gymnasium bestens bekannt. Und es wäre doch irgendwie ein Zufall gewesen, hätte diese nach dem Gründer des Deutschen Museums benannte Münchner Institution – früher noch an der Ludwigstraße beheimatet – nicht auch in der Geschichte unseres Vereins eine Rolle gespielt.

Der Lümmel in der ersten Reihe (unten rechts) ist Kurt Landauer. Das Foto zeigt ihn 1904 auf dem Sommerfest des „Kavalierclubs FC Bayern“, drei Jahre nach Ende seiner Schulzeit.

Jahre wie 2025 sind auch für den FC Bayern besondere. Runde Jubiläen geben Anlass zur Rückschau – viel Recherche-Arbeit hat zum 125-Jährigen daher das Team unseres Vereinsmuseums geleistet. Wer 14 externe Autoren darauf ansetzt, die Werdegänge der 17 Gründungsmitglieder für eine demnächst erscheinende Gründungspublikation bis ins Detail zu durchleuchten, stößt auf „Überraschungen“, und als genau solche bezeichnet Alexa Gattinger auch den Fund, der im Archiv des „Oskar“ gemacht wurde. Gleich sechs Bayern der ersten Stunde waren Schüler des ersten „Königlichen Realgymnasiums“ Münchens – doch beim Durchforsten der Klassenlisten rund um den Jahrhundertwechsel stieß man auf einen weiteren prominenten Bayern-Vertreter. Sein Name: Kurt Landauer. Und seine schulischen Leistungen: nun ja … nicht immer tadellos.

Eine 2 in Turnen, eine 3 in Englisch, eine 4 in Latein – in Kurt Landauers Zeugnis aus dem Schuljahr 1900/01 heißt es: „Seine Leistungen sind in der Mehrzahl der Fächer nur genügend (...). Fleiß und Leistungen ließen sehr zu wünschen.“

Drei Jahre auf dem „Oskar“

Von 1898 bis 1901 ist der spätere Ehrenpräsident des FC Bayern in den Jahresberichten zu finden, damals allerdings gingen die Schüler noch ins Damenstiftsgebäude an der Ludwig­straße. Für Landauer, ein Kind der Altstadt, aufgewachsen in der Kaufingerstraße unweit des Modegeschäfts seines Vaters Otto, war das optimal. Die Wege, die er seinerzeit zwischen Wohnhaus und Grundschule am Salvatorplatz und später dann ins Gymnasium auf sich nahm, werden immer deutlicher. „Für uns sind solche Informationen Gold wert“, sagt Alexa Gattinger. Denn abgesehen vom Briefwechsel aus dem Zweiten Weltkrieg mit seiner späteren Ehefrau Maria Baumann sind persönliche Informationen und Dokumente des ehemaligen Präsidenten bislang Raritäten.

Dass er ein meinungsstarker Mann war, kommt an diversen Stellen der „Clubnachrichten“ heraus, die im Archiv mit wenigen Lücken vorliegen. Das Gesamtbild aber wird durch die jüngsten Funde aus Schulzeiten noch deutlich schärfer. Die kooperative Leitung der Schule gewährte sogar Einblick in die Zeugnisse Landauers von der achten bis zur zehnten Klasse, die gleichzeitig die letzten seiner Schullaufbahn waren. In Sütterlin-Schrift verfasst, für den Laien schwer lesbar, aber nach der in Auftrag gegebenen Übersetzung sehr aufschlussreich. Denn sie bieten einen interessanten Blick auf Landauers Leben als Jugendlicher – und einen genauso interessanten auf das Schulsystem zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Ehrenrunde in der dritten Klasse

36 Kinder zählte die Klasse 4b (heute: 8. Klasse), die Kurt Landauer, einer von sechs jüdischen Schülern, ab dem 20. September 1898 besuchte. Und dass Landauer, 14 Jahre jung, zwar clever war, aber nicht gerade der beste Schüler, war ihm wohl damals schon bewusst. Die dritte Klasse am humanistischen Ludwigsgymnasium in der Münchner Innenstadt hatte er bereits zweimal besucht, ehe der Schulwechsel auf das Realgymnasium erfolgte. Die naturwissenschaftlich-kaufmännische Ausrichtung lag ihm offenbar näher – mit Blick auf das erfolgreiche Modegeschäft seines Vaters kein Wunder. Und er konnte gemeinsam mit seinem Bruder Paul zur Schule gehen, der zwei Stufen über ihm war und im Jahr 1901 sein Abitur schaffte.

In einem Realgymnasium lag der Lehr-Fokus auf den sog. „Realien“: Naturwissenschaften, Mathematik, moderne Fremdsprachen.

Kurt Landauer ging es erst mal darum, die Einjährig-Freiwilligen-Berechtigung zu erlangen, die mit dem Beenden der zehnten Klasse verliehen wurde. Wer sechs Gymnasialklassen erfolgreich abgeschlossen hatte, galt damals als Wehrpflichtiger mit höherem Schulabschluss und konnte seine Wehrzeit um zwei Jahre verkürzen. Bis 1908 war diese Berechtigung übrigens auch eine Grundvoraussetzung, um in den FC Bayern einzutreten.

Ein durchaus begabter „Schmierfink“

Landauer zählte nicht zu den Gründungsmitgliedern, aber man wird sich gekannt haben an der Schule, die König Ludwig II. 1864 als erstes Realgymnasium Münchens in Auftrag gegeben hatte. Die Räume waren eng, die Schüler mussten von Gebäude zu Gebäude wandern. Die Zustände im für die Schüler bereitgestellten Teil des Damenstiftsgebäudes, direkt gegenüber der Staatsbibliothek auf der Münchner Ludwigstraße, wurden irgendwann so unhaltbar, dass Beschwerden von Eltern zum täglichen Brot zählten. „Eng“ und „unhygienisch“ lauteten die Vorwürfe, die Ludwigstraße wurde als „Rennbahn“ bezeichnet. Die Beleuchtung war außerdem so schlecht, dass 40 Prozent der Neuntklässler als kurzsichtig getestet wurden. Zum Vergleich: Auf dem Theresien-Gymnasium am Kaiser-Ludwig-Platz waren es nur 20 Prozent.

Aber es half ja nichts. Landauer und mehr als 250 andere Schüler mussten dennoch täglich zum Unterricht – und fielen dort positiv wie negativ auf. Was beim Blick auf die drei vom Ehrenpräsidenten erhaltenen Zeugnisse auffällt: dass er zwar die mit Abstand meisten Strafen unter seinen Klassenkameraden kassiert hat. Aber dass die Lehrer, in der achten Klasse Ordinarius Joseph Lerch in der Leitung, ihn durchaus für einen begabten Schüler hielten. Was nicht das Ding des jungen Kurt Landauer war: Fleiß und Gehorsam, obwohl genau diese Eigenschaften im damaligen Schulsystem als Grundvoraussetzung galten. So finden sich unter den Strafen unter anderem Arreste wegen „Ungezogenheit“, „leichtfertigen Arbeitens“, „Faulheit“, „mangelhafter Vorbereitung“ oder „Zwischenrufen und 
ungebührlichen Benehmens“. Ein lustiges Detail: Die „Pauschalbezeichnung Schmierfink“, die für den Achtklässler Landauer vermerkt ist. Kurz hinter der Notiz: „Im Zeichnen müssen die Leistungen viel besser werden.“

Der „Dandy“ rückt vor

In der neunten Klasse hat Landauer sich „in mehreren Fächern ge­hoben“, im Zeichnen aber reichte es noch „nicht aus“. Immerhin: Die Lehrer, diesmal zuvorderst Ordinarius Friedrich Wieland, bestätigten, was auch im Vorjahr schon feststand. Nämlich dass Kurt Landauer „bei größerem Eifer leicht bessere Fortschritte hätte erzielen können“. Für manches hatte er „entschiedenes Interesse“, für anderes eben nicht. In diesen Fächern versuchte Landauer sich dann auch gern an Spicktricks – und flog hier und da auf.

Aber ein Blick auf den Lehrplan zeigt auch, dass es viel und gern trocken zuging. Wer „Flachmodelle der italienischen Renaissance“ zeichnen und im Sportunterricht „am Bock voltigieren“ musste, suchte sich lieber andere Nischen. Mit einem Augenzwinkern ist wohl auch der vermerkte Beiname „Dandy“ zu verstehen. Ob er dem Kleidungsstil des Modemacher-Sohns Landauer galt oder seinem Betragen? Wahrscheinlich Ansichtssache.

Keinen Raum für Spekulationen allerdings lassen die Sätze, die am Ende in jedem Zeugnis die wichtigsten sind. „Die Erlaubnis zum Vor­rücken in die nächsthöhere Klasse hat er erhalten“ – das ist unter allen drei Dokumenten geschrieben. Vermerke in Mathematik oder Latein waren dann genauso egal wie „Zwischen-Bemerkungen“ aus dem Schuljahr, in denen es hieß: „Das Vorrücken scheint gefährdet.“ Lan­dauer kam ohne Extrarunde durch die drei letzten Klassen seiner Schullaufbahn, das war die Hauptsache. Und wer zudem im Zeugnis der zehnten Klasse eine Strafe wegen „Lachens“ erhält, hat irgendwie doch viel richtig gemacht, oder?!

So kennt man ihn heute: Kurt Landauer

Zumindest heute, mehr als 120 Jahre später, kann man darüber schmunzeln. Und so oder so ähnlich wird es auch den übrigen prominenten „Oskar“-Schülern beziehungsweise deren Nachfahren gehen. Oskar von Miller selbst, Schriftsteller Alfred Andersch, der langjährige Münchner Oberbürgermeister Christian Ude und der SPD-Politiker Franz Maget paukten einst auf der Schule, und auch ein gewisser Wilhelm Hirsch taucht auf den Schülerlisten auf. Wie weitere Re­cherchen ergeben haben: eines von zuvor noch drei „Fragezeichen“ unter den Gründervätern des FC Bayern. Wieder so eine nicht ganz unerhebliche Rolle, die diese Münchner Schule in der Geschichte unseres Clubs spielt. Die Recherche geht weiter …

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